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Der folgende Artikel wurde im Heimatbuch des Rhein-Pfalz-Kreises 28 (2011) veröffentlicht. Für das Interesse der Redaktion und die Unterstützung des Kreises bei unserem Austausch danken wir sehr.

Ein Kulturaustausch der besonderen Art – Das Gymnasium Schifferstadt (PvD) in China

Vorwort

Dies ist unsere dritte Reise nach China gewesen.

Wir begannen 2006 einen Kulturaustausch mit diesem Land, das immer noch für viele unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger unbekannt ist. Das Gymnasium im Schulzentrum hatte bereits eine Reihe von interkulturellen Begegnungsmöglichkeiten im Angebot, so England, Frankreich oder auch Malta. Aber China? Nun, als eine der führenden Wirtschaftsnationen der Erde spielt China im Leben unserer Schülerschaft eine zunehmend bedeutende Rolle. Und so war es naheliegend, eine über den zentralen Verteiler hereingekommene Mail ernst zu nehmen und die Deutsch- Chinesische Gesellschaft in Karlsruhe, die als Absender firmierte, zu kontaktieren. Viele Gespräche, auch Gespräche kontroverser Art, Arbeit in Gremien und vorbereitende Maßnahmen führten zu einer ersten Begegnung der Delegationen im Herbst 2006 in Hangzhou. Chinesische Schülerinnen und Schüler kamen zum Gegenbesuch in den Osterferien des darauf folgenden Jahres. Und so entwickelte sich auf beiden Seiten ein vertieftes Interesse an der jeweils anderen Kultur.

Kurse in chinesischer Sprache und Kultur dienten den Reisewilligen zur Vorbereitung, denn eine Woche in einer chinesischen Familie zu verbringen bedeutet Toleranz zu haben und manchmal auch die individuellen Interessen zurückzustellen.

Bereut haben wir diesen Schritt nie, denn wir haben auf beiden Seiten profitiert. Die Schule in Hangzhou wurde bald zu einer Internatsschule umfunktioniert und zog vor die Tore der Stadt, was es uns quasi unmöglich machte, unsere Schülerinnen und Schüler in den Familien unterzubringen. Folglich mussten wir eine andere Lösung finden: eine neue Schule. Deshalb wählten wir Xi'an, die alte Kaiserstadt an der Seidenstraße, einem Dreh- und Angelpunkt der chinesischen Kultur.

Wir, das sind die Kollegen Bernd Strobel, der auch hauptverantwortlicher Koordinator der Reisen war, und Andreas Wehrmeister sowie ich, die Schulleiterin Gabrielle Steinbach, zusammen mit 20 Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 9 - 11. Ich danke an dieser Stelle meinen wunderbaren Mitstreitern, die dieses große Projekt mit herausragender Kompetenz und Umsicht begleitet haben und die für mich auf diesem weiten Weg unverzichtbar geworden sind.


Die Ankunft in Shanghai

Am späten Vormittag des 13. Oktober 2010 landeten wir, 20 Schülerinnen und Schüler (aus den Jahrgängen 9, 10 und 11) sowie deren drei Lehrkräfte auf dem Pudong-Flughafen in Shanghai. Nach etwa elf Flugstunden von Frankfurt/Main erreichten wir die faszinierende Metropole am Huangpu-Fluss, deren supermoderner Airport uns mit gigantischen Ausmaßen überraschte. Nach der Einreise, die freundlich und zügig vonstattenging, bestiegen wir mit unseren chinesischen Begleitern, die uns in der Ankunftshalle gleich mit einer ,,Kentucky Fried Chicken Lunchbag" für den kleinen Hunger als Zeichen der Globalisierung erwarteten, noch kauend den Transrapid, der von der deutschen Weltfirma Siemens gebaute Hochgeschwindigkeitszug, der in Shanghai auf einer Mono Rail den Verkehr zwischen Airport und City entlasten soll. Shanghai verfügt wegen der täglich wachsenden Flut von Privat- Pkw's über achtspurige Ringstraßen, auf denen sich der Verkehr der fast 20-Millionen-Stadt blechlawinenhaft bewegt bzw. immer staut. Abenteuerlich auch die Verkehrsregelung: Egal wie die Ampel steht, wird sie ignoriert und man fährt zur Not auch in die Gegenrichtung, rechts vorbei, schneidet ein Fahrzeug oder stellt sich quer. Fußgänger arrangieren sich entsprechend. Elektrisch betriebene Zweiräder rollen lautlos von hinten heran, sodass manchmal nur ein Sprung zur Seite das eigene Leben retten kann.

Der Transrapid lädt ein, auf bequemen blauen Samtsesseln Platz zu nehmen und eine überdimensionierte Uhr mit Kilometerzähler, die gut sichtbar für die Fahrgäste im Abteil an der Stirnwand befestigt ist, im Auge zu behalten. Und schon geht es los. In weniger als 15 Sekunden nimmt der Zug an Fahrt auf und bewegt sich auf der Luftkissenschiene scheinbar schwerelos an den Autoschlangen rechts und links auf der Schnellstraße vorbei. 280 km/h, 315 km/h, 400 km/h – ein wenig mulmig wird einem schon und man hegt den Wunsch, dass alles gut gehen möge. Die Ohren verpfropfen langsam, ein Wattebauscheffekt entsteht, denn in diesem Tempo fliegt die Stadt vorbei, während der Zug beinahe abhebt. Dann verlangsamt er sein Tempo wieder, wobei 300 km/h schon wenig erscheinen, 200 km/h einem Schneckentempo ähneln und das,was unter 100 km/h fällt, gar nicht mehr als Geschwindigkeit wahrgenommen werden kann. So rasch ändern sich die Vorstellungen davon, was einem selbst schnell oder langsam vorkommt.

Mit etwas wackligen Knien verließen wir den fliegenden Teppich und wurden mit einem für uns bereit gestellten Bus in unser Quartier befördert. Auch dieser moderne Reisebus brauchte nochmals fast eine Stunde, um uns in unser schönes Hotel zu bringen, welches für die nächsten zwei Nächte unsere Herberge sein sollte. Dort angekommen hatten wir eine kurze Pause, um uns frisch zu machen und auch innerlich ein wenig in China anzukommen. Die Zimmer waren komfortabel ausgestattet und großzügig geschnitten, wodurch unser positiver Eindruck, den wir bereits nach den ersten Stunden gewonnen hatten, noch verstärkt wurde.

Wieder im Bus ging es Downtown Richtung Bund und Pudong, der weltberühmten Skyline Shanghais mit der viktorianischen Prachtstraße und der am gegenüberliegenden Ufer liegenden gigantischen Hochhauskulisse, dem 420 Meter hohen Jin Mao Tower, dem Hotel Aurora oder dem bunt angestrahlten Fernsehturm. Die Stadt, in welcher 24 Stunden das Leben pulsiert, wurde vor unseren Augen im abendlichen Zwielicht langsam zu einem gigantischen Lichtermeer. Jedes Gebäude, jedes Brückchen, jedes noch so hässliche Glastreppenhaus erstrahlte zur Nacht in märchenhaften Farben, energiepolitisch eine Todsünde, optisch ein unvorstellbarer Augenschmaus. Das Expogelände, welches wir großräumig umfuhren, strahlte mit seinen unzähligen Pavillons vielversprechend mit der Glitzermetropole um die Wette. Während der Fahrt wurden wir von unserem chinesischen Fremdenführer Harry über die Besonderheiten der Sonderwirtschaftszone Shanghai und die ortsüblichen Sehenswürdigkeiten unterrichtet. Zeit hatten wir genug, denn wir waren mittlerweile auf der Ringstraße in einen Stau geraten und sahen den rotglühenden Strom tausender Autorückleuchten träge Richtung Innenstadt fließen. Chinesische Fremdenführer kommen (vielleicht in diesen kräftezehrenden Zwischenpausen) immer wieder gerne auf das beliebte Thema Autos zu sprechen. Deutsche Autos. Für Chinesen ist das Fahrzeug ,,Made in Germany" ( also vornehmlich Audi, VW , BMW und Mercedes Benz) Prestigesymbol und deshalb Objekt der Begierde. Harry bekam leuchtende Augen und schwärmte von seinem betagten VW Santana, der übrigens in Shanghai immer und überall als Taxi genutzt wird. Deutsche Wertarbeit steht bei den fleißigen Chinesen hoch im Kurs, im Übrigen wird alles, was aus Deutschland kommt (inklusive unserer Reisegruppe), bewundert und respektiert.

Nach einem leicht europäisierten Essen (das ,,richtige" chinesische Essen bekamen wir in Xi'an) in einem riesigen Restaurant, in welchem zahllose ausländische Touristen verköstigt wurden und scheinbar heimische Rühreier, Gemüse, Pommes Frites und undefinierbare Schnitzelchen angeboten wurden, fuhren wir ans Ufer des Huangpu und bestiegen einen Raddampfer, der ein wenig an einen Mississippi Raddampfer erinnerte. Vom Fluss aus wurde die berauschende Skyline Shanghais aus einer völlig anderen Perspektive wahr genommen. Der Bund erstrahlte in Gold, die Hochhäuser glitzerten und blinkten in allen Farben des Regenbogens und die ganze Stadt nahm unwirkliche Gestalt an. Im Wasser spiegelte sich das Spektakel. Wir hatten unsere Fotoapparate gezückt und versuchten uns in Nachtaufnahmen, die uns in Einzelfällen aufgrund der längeren Belichtungszeiten gut gelangen, viele aber auch verschwammen und so ihren eigenen Reiz entfalteten. Unser Führer Harry erzählte uns, dass Shanghai den zweitgrößten Hafen der Erde (nach Rotterdam) habe und Pudong, das neue Finanzviertel der Metropole, erst in den letzten Jahren erstanden sei.

Nach der beeindruckenden ersten Stadtrundfahrt zu Wasser begaben wir uns zum Jin-Mao-Tower, um die Stadt von oben zu betrachten. Der Aufzug beförderte uns in wenigen Sekunden nach oben in den 84.Stock, von wo aus eine Besucherplattform dem Betrachter eine 360 Grad Rundumsicht der Millionenmetropole gewährt. Atemberaubend entfaltete sich unter uns ein Lichtermeer und ein goldenes Netz von Straßen, die in der Ferne in der smoggeschwängerten Luft verschwammen und sich auflösten. Eine Hotellobby ist durch eine Panzerglasplatte, die konkavförmig in der Mitte dieses Fußgängerrundwegs eingelassen ist, in der Tiefe auszumachen, faszinierend winzig zeigt sich von hier oben die Rezeption und die Eingangslobby. Wer Höhenangst hat, darf dort nicht hinunterblicken, denn trotz der dicken Verglasung ist das Nichts unter einem und der freie Fall in gefährliche Nähe gerückt. Ein reiner Nervenkitzel.

Viele chinesische Gäste sind auch hier, bestaunen diese Wunderwelt und freuen sich an der dynamischen Entwicklung ihres Landes. Reisen wird zunehmend populärer in China, Städtereisen ganz besonders. Chinesen wollen ihr Land, aber auch andere Länder erkunden – dort öffnen sich gerade für die Tourismusbranche neue und noch unvorstellbare Möglichkeiten, denn bei 1,3 Milliarden Menschen (Tendenz steigend) ist dieser Markt sehr attraktiv.

Wir fahren wieder hinunter und besteigen nach einem ehrfürchtigen, Aufblick auf den benachbarten Wolkenkratzer, der einen Skywalk aus Glas für die Besucher bietet, wieder unseren Bus, der uns zurück in den weiter draußen liegenden Vorstadtbereich bringt, wo sich unser Hotel befindet, vorbei an hell beleuchteten Straßen- und Brückenkonstruktionen, architektonisch reizvollen Gebäuden und kitschigen Lichterspielen.

Bei Tag ist dann die Stadt entzaubert, der graue Smog vernebelt die Sicht und taucht alles in diffuses Licht, aber dennoch bleibt sie beeindruckend aufgrund der vielen Menschen, der ungeheuren Geschäftigkeit und der Unmengen von Autos , die sich alle genau in die Richtung vorwärts schlängeln, in die wir auch wollen. Und wir wollen zur Expo.

750 000 Besucher jeden Tag, das bedeutet eine Riesenzahl von Parkplätzen, eine ausgeklügelte Logistik (Toiletten, Restaurants, Cafes etc.) Was wird uns erwarten? Wir wurden in das Parkareal C 3 gewinkt und parkten neben Tausenden von Bussen, die alle genauso aussahen wie der unsere(!), ein. Von hier (man merke sich C3 für alle Fälle) betraten wir das Expogelände, ausgestattet mit Kartenmaterial zur Orientierung und dem Hinweis auf den Treffpunkt spät nachmittags am Bus, um rechtzeitig das Abendessen einnehmen zu können. Harry besorgte für uns das Gruppenticket und ließ uns nach einigen Ermahnungen (Passt auf eure Geldbörsen auf etc.) ziehen.

Ja, da waren wir nun alleingelassen mit der Qual der Wahl, denn alle Pavillons der Welt lagen vor uns – welchen also besuchen? Was liegt näher, als erst einmal zu schauen, was die Deutschen so zu bieten haben! Es hieß, dass die Warteschlangen vor den einzelnen Pavillons bis zu sechs Zeitstunden bräuchten, um sich durch einen hindurch zu schlängeln. Überall Menschen, überall Warteschlangen – Frust pur! Aber, so die Fama, man könne mit dem Reisepass den VIP-Eingang benützen, um sich (in den deutschen Pavillon) vorzudrängeln. Man muss ja auch manchmal aus einer solch simplen Tatsache Kapital schlagen – gesagt, getan, es klappte. Wir waren drin. Getreu dem Motto der Expo ,,Better Life – better City" hatten sich die Deutschen viele gute Gedanken gemacht, um das Thema anschaulich, aber auch mit globaler Nachhaltigkeit zu präsentieren. Nach einem Rundgang , der Einblicke in deutsche Städteplanung, in erneuerbare Energien, Windparks und neueste Technik bot, kamen auch die kulturellen Besonderheiten unseres Landes in den Blick, ohne betulich zu wirken. Kunst, Literatur, Musik, Gesellschaft, Tradition und Fortschritt auf kleinem Raum zu präsentieren, ein Deutschland, in dem ich gerne lebe – das gelang, und nicht zuletzt deswegen wurde der deutsche Pavillon mit dem ersten Preis als bester Repräsentant gewürdigt. Einen krönenden Abschluss fand der Besuch bei unseren deutschen Landsleuten im Restaurant, das der Ausstellung angeschlossen war: bei einer (superleckeren) Haxe und einem Hefeweizen verdauten wir die Eindrücke und freuten uns, so schnell in China eine tolle regionale deutsche Küche entdeckt zu haben. Am Tisch neben uns saßen Chinesen, die sich wagemutig auf das Abenteuer, eine Haxe zu zerlegen eingelassen hatten. Nachdem sie uns über die Schulter geschaut hatten, bewaffneten sie sich mit Messer und Gabel, denn mit Stäbchen wäre dieses Unternehmen zwecklos. Es gab keine größeren Verletzungen, die Chinesen orderten dann noch Capuccino(!) zum Runterspülen der Haxenteile und der Semmelknödel(!), über die Folgen können wir nicht mehr berichten.

Dann nahmen wir den, „Rest" der Expo in Augenschein. Wir wanderten durch futuristische Szenarien, denn die Länder dieser Welt versuchten sich auf originelle und eindrucksvolle Art zu präsentieren. Da die langen Warteschlangen uns abschreckten, bewunderten wir die Architektur von außen und versuchten, durch die Hintertür einen Blick zu erhaschen. Der gewaltige chinesische Pavillon bildete das Herzstück der Ausstellung. Imposant ragte der Tempel mit gigantischen Ausmaßen und faszinierender Beleuchtung aus seiner Umgebung hervor. Man sagte uns, dass die Führungen schon Monate im Voraus gebucht werden müssten – und dennoch betrugen die Wartezeiten mehrere Stunden. Für die im Geiste des Konfuzianismus sozialisierten Chinesen bedeutete diese Schlangenbildung und das lange Ausharren außer der Geduldprobe an sich auch essen, ein Nickerchen auf den klitzekleinen portablen Klapphöckerchen machen und erzählen, lachen und neugierig Leute betrachten. So hatten alle ihren Spaß, denn es gab auch (falsche) Passstempel der besuchten Länder (d h. der Pavillons). Und da die Chinesen den Wettbewerb über alles lieben, war der Gewinner der, der die meisten Stempel gesammelt hatte. Ob er auch etwas von den Ausstellungen mitbekommen hatte?

Nach einem kleinen Trip in die Sektion der Emirate (besonders beeindruckend: Brunei und Dubai) und in die ,,Amerikas" (Süd-Mittel-Nordamerika) nahmen wir wieder Kurs auf C3. Nach einigen Umwegen kamen wir an unserem Bus an und trafen die anderen Reiseteilnehmer/innen wieder, die sich alle über ihre eigenen Erfahrungen und Erlebnisse dieses tollen Tages austauschten.

Harry freute sich, dass wir alles unbeschadet überstanden hatten, denn die Chinesen sind keine großen Spaziergänger und es tun ihnen schnell die Füße weh. Er hatte es vorgezogen, dem Busfahrer Gesellschaft zu leisten und in unserer Abwesenheit ein Nickerchen zu machen. Aber bei der Zählung der Köpfe unserer Lieben fehlten drei! Wo waren sie geblieben? Hatten sie sich verlaufen? Was war geschehen? Wir versuchten, einen Handykontakt herzustellen, sie mit Suchtrupps zu orten – vergeblich. Nach etwa einer Stunde bangen Wartens schlurften drei müde Gestalten in Richtung Bus. Sie waren sich keiner Schuld bewusst: sie hatten ganz einfach bei der Information über den Abfahrttermin,, geschlafen".

Nach einem Stopp in der berühmten Nanjing Road, einer der berühmtesten und längsten Einkaufsstraßen der Welt, in der man alles, was man braucht, findet und kaufen kann (so z. B. sündhaft teure Luxusdependenzen der Pariser Haute Couture Szene und Edeluhrenmarken aus der Schweiz), fuhren wir in die Yu-Gärten. Das ist eine wunderschöne, alte Villenanlage mit Teehäusern, Gärten, Teichen und vielen kleinen Geschäften, die im Abendlicht wie Juwele glitzern. Das imposante Herrenhaus gehörte einem hohen Staatsbeamten im Herzen Shanghais, nicht unweit der Skyline und dem Bund. Dort scheint (wenn man von den vielen Besuchen einmal absieht) die Zeit stehen geblieben zu sein, denn die traditionelle chinesische Architektur mit ihren schwungvollen Dächern und Bögen, die einem Drachenkörper nachempfundene Mauer, die das Anwesen umgibt und die schöne Gartengestaltung mit besonderen Felsformationen aus Lava Gestein machen die Reise in die Vergangenheit des Reichs der Mitte zu einem besonderen visuellen und sinnlichen Erlebnis. Nur die vielen Menschen ... .

Nach der Kulturrevolution hat in China wieder eine Rückbesinnung auf die Geschichte und die Kultur des Riesenreiches stattgefunden, die es ermöglicht hat, die zerstörten Gebäude wieder aufzubauen und auch die Tempelanlagen neu zu beleben. Dieser reizvolle Kontrast macht sich gerade in den Yu-Gärten bemerkbar, wo auch traditionelle Kunstprodukte und Kunsthandwerk beheimatet sind. Zudem wird der Geschmack der Touristen bedient. Mit kleinen Mitbringseln, denen wir nicht widerstehen konnten, bestiegen wir unseren Bus und fuhren hinaus aus der Megametropole, vorbei an beleuchteten Brücken und Turmspitzen, hinaus in unser Hotel, wo wir erschöpft und voller Eindrücke müde in unsere Kissen sanken.

Doch schon früh am nächsten Morgen reisten wir wieder in Richtung Zentrum, wo uns ein weiteres Highlight der kulturellen Begegnung erwartete, nämlich das Shanghai Museum. Dort findet der Kulturreisende klassisches chinesisches Mobiliar aus edlen Hölzern, Schnitzkunst, Porzellanartefakte und Jadeschmuck und Gebrauchsgegenstände sowie Siegel aus verschiedenen Dynastien, vorrangig Ming und Chin. Auch sind dort riesige Schriftrollen mit der berühmten Kalligrafie und großrahmige Seidenbilder mit den typischen Machtsymbolen vorzufinden, so der Kranich als Zeichen der weiblichen Majestät, der Drache als männliches Pendant. Aber auch der weibliche Drache ist vorzufinden mit einem Drachenbaby unter der Tatze, wobei das männliche Tier einen Reichsapfel unter dem vorderen Fuß festhält. Diese Drachenpaare findet man immer und überall vor und in Gebäuden, denn sie bedeuten Glück, Reichtum, Macht und Herrschaft. Nach einem Schnelldurchlauf durch dieses faszinierende Gebäude, das einem Kuppelbau nachempfunden ist und kreuzförmig auf jedem Stockwerk vier gleich große, in sich abgetrennte Areale für unterschiedliche Exponate besitzt, fanden wir uns wieder am Bus ein und machten uns auf nach Hangzhou, der Perle am Westsee. Wir verabschiedeten uns von Shanghai, der aufregenden, riesigen Stadt am Huangpu-Fluss und nahmen Kurs auf die ca. 130 km entfernte Stadt, die als eine der schönsten in China gilt. Die Götter leben entweder im Himmel oder in Hangzhou, sagt das Sprichwort. So waren wir voller Spannung und Erwartung, ob wir diesen Eindruck auch teilen könnten. Da wir in den Abend hineinfuhren , vertrieben wir uns die Zeit im Bus mit einem Nickerchen oder mit Harry – indem wir über deutsche Autos diskutierten.


Hangzhou – die Schöne am Westsee

Drachenboote gleiten über das Wasser, kleine Hügel mit schmucken Tempeln und Pagoden säumen das Ufer, Menschenmassen stehen an den Bootsanlegestellen, um einen Platz zu ergattern. Im Vergleich mit Shanghai wirkt die Achtmillionenstadt beschaulich und naturnah. Wir nahmen, nachdem wir am frühen Abend unser Hotel bezogen hatten, am Vormittag des darauf folgenden Tages bei klarem Himmel und Sonnenschein die Sehenswürdigkeiten dieser bezaubernden Stadt in Augenschein. Wesentlich kleinere Häuser, viele Parks und Gartenflächen sowie der herrliche See mit seinen Seerosen und den exotischen Schiffen kamen einer deutschen Bäder-Idylle gleich. Teehäuser luden ein zum Verweilen, ganze Familienclans saßen dort, um den berühmten grünen Tee einzunehmen und Korn am Stiel zu nagen, die gesündere Variante zu unseren, Pommes rot-weiß". Zahllose Radfahrer/innen auf Mieträdern säumten die den See umgebenden Wege und Pfade, Enten ließen sich von kichernden Kindern füttern und Hochzeitspaare posierten für die Kameras.

Wir versuchten, diese Momentaufnahmen des Chinesischen Lebens mit unseren Kameras zu bannen. Brigaden von meist älteren Landbewohnern, noch im grauen Mao-Look gekleidet und alle mit roten Schirmmützen ausstaffiert, folgten ihrem Tour-Guide, der mit Regenschirm oder mit einer hochgehaltenen Flagge aus der Menge herausstach. Überall belauerten uns fliegende Händler, die alle möglichen (und kitschigen) Waren anpriesen, seien das Billigkopien von Markenhandtaschen oder Uhren (Wannra buy Lolex???), Schirme, Plüschtiere und Pandamützen aus Kunstfell, Drachen (zum Fliegen) oder Laserpointer (hier verboten). Die jugendlichen Teilnehmer unserer Reisegruppe versuchten, diesen Anstürmen zu trotzen – doch am Schluss hatten einige etwas gekauft, was sie eventuell gar nicht wollten. – Dann eben für die Lieben daheim!

Ein Geschenk, das gut ankam, war hingegen der grüne Tee, der auf einer etwas außerhalb gelegenen herrlichen Plantage , welche an ein Weingut erinnerte, wäre dort nicht eine tönerne überdimensionierte Teekanne sichtbar gewesen, angebaut und verkostet wurde. Der First Flush ist der kostbarste grüne Tee und würde selbst dem Kaiser schmecken. Die zweiten und dritten Ernten unterscheiden sich für Kenner definitiv in Geschmack und Preis. In einer Teezeremonie wurde unsere Reisegruppe in die Geheimnisse der Tee-Mysterien eingeführt und genoss daneben noch Teeaufbautabletten, Teegebäck, Teekonfekt (welches sich als staubtrocken herausstellte!), versuchte Teecreme (für eine glatte Haut) und befühlte Seidenkissen, ähnlich unserer Kirschkernkissen, mit Teefüllung für Ruhe und Entspannung. Der grüne Tee fördert die innere Harmonie und wirkt beruhigend auf den Stoffwechsel. Außerdem hilft er bei der Fettverbrennung, denn aufgrund der ihm eigenen natürlichen Bitterstoffe hat er eine positive Wirkung auf die Produktion der Gallensäfte. In einem beeindruckenden Verkaufsgespräch gelang es der charmanten Chinesin, unsere Schüler und die Lehrer in den Bann der heilenden Kraft dieses grünen Wundermittels zu schlagen und regen Umsatz zu machen. Wir haben lange an diesem schönen Souvenir!

Ebenso berühmt wie der grüne Tee ist die Seide aus Hangzhou. Lange Seidenstraßen, in denen sich die Händler in kleinen Ladenlokalen Seite an Seite präsentieren, an die alten Handwerkerviertel im Mittelalter erinnernd, luden ein zum Flanieren und zum Geldausgeben. So manches schöne Seidentuch oder Kleidungsstück lockte in den Auslagen – Preisangaben gab es selten. Wenn man dann ein Lädchen betritt, muss man zunächst nach dem Preis fragen. Der Verkäufer hält aber schon den Taschenrechner in der Hand, denn diesen ersten Preis bezahlt man natürlich nicht. Man handelt! Die Kunst des Handelns beruht darauf, dass beide ihr Gesicht behalten – der Verkäufer will ein Geschäft machen, der Kunde auch. Man feilscht bis zum Geht-nicht-mehr! Und dann geht man siegreich aus der Schlacht hervor, wobei der Händler immer noch ein Geschäft gemacht hat – versteht sich. Handeln, feilschen gehört einfach dazu. Wenn man es sich einmal angewöhnt hat, ist das Einkaufen hierzulande langweilig, denn das Beuteschema fehlt.

Als dritte Besonderheit gibt es Perlenfabriken in Hangzhou. Unzählige kleine Schmuckläden bieten herrliche Perlenschnüre feil, die nur einen Bruchteil dessen, was man hier bezahlen muss, kosten und qualitativ sehr hochwertig sind. Unsere Schülerinnen deckten sich mit Ohrschmuck und Ketten sowie Armbändern ein, aber auch die Mamas wurden mit schönen Andenken bedacht. Aber auch die Esskultur ist in Hangzhou ein besonderes Erlebnis. Frische Teigtaschen und Gemüsetörtchen sowie Nudelsuppen mit verschiedenen Geschmacksrichtungen und Maiskolben sowie grüner Tee sorgten tagsüber für das leibliche Wohl und stillten den kleinen Hunger. Und immer wieder Obst, viel Obst!

Auf der Old Hefangstreet, der Kulturstraße Hangzhous, wo Kitsch mit Kunsthandwerk konkurriert und man alles Erdenkliche vorfindet, was man schon immer haben wollte, wurden wir auf ein bemerkenswertes Kulturdenkmal aufmerksam gemacht. Wir besuchten eine inmitten der hektischen Betriebsamkeit der Straße liegende historische Apotheke, die aber eher einem Medizinmuseum der fernöstlichen und damit der besonderen Art glich. Riesige Ginsengwurzeln waren in überdimensionierten Gläsern zu sehen, dann Schlangen und exotische (tote)Tiere, Skorpione, Spinnen, Leguane, getrocknete Innereien und viele Kräuter. Mörserschalen und Mörser deuteten darauf hin, dass diese Ingredienzien vermahlen wurden, um dann als Pulver genommen oder als Paste auf betroffene Stellen des Körpers aufgetragen zu werden. Die ,,moderne" Weiterentwicklung dieser Apotheke an der nächsten Ecke unterschied sich allerdings nicht grundlegend. Die Chinesen trinken grundsätzlich neben ihrem Tee sehr viel lauwarmes Wasser, um ihr System zu unterstützen. Kalte und kohlensäurehaltige Getränke sind verpönt. Bei Erkältungen werden Lakritzpastillen und Tinkturen verabreicht, die das Schwitzen befördern. Überhaupt ist die traditionelle chinesische Medizin ganzheitlicher als die westliche, die oft die Teilbereiche allein mit „schwerem Geschütz" behandelt, Nebenwirkungen inklusive.

Biegt man von der Kulturstraße ab und ersteigt eine kleine Anhöhe, bekommt man einen entzückenden Blick über die Stadt und den See. Bei herrlichem Sonnenschein lösten wir die Eintrittskarten für den gewaltigen Zen-buddhistischen Ling Yin Tempel, in dessen Eingangsbereich eine dreidimensionale Sicht der Stadt Hangzhou aus der Zeit der Mingdynastie gezeigt wurde. Der See, künstlich angelegt und mit geringer Tiefe, wurde eigens für die Drachenbootrennen angelegt und diente Regatten. Noch heute werden große Festivals rund um den See veranstaltet und es finden diverse nächtliche Feuerwerke statt, die Touristenströme aus nah (vor allem Shanghai) und fern anziehen. Durch schmale Treppenhäuser mit Wendeltreppen gelangt man in die obere Etage des Tempels, der bei Nacht atemberaubend mit Tausenden von kleinen Lichtern angestrahlt wird. Dort hat man einen beeindruckenden Blick über Hangzhou und den See und erblickt in Gänze die Schönheit, ja die Lieblichkeit der ganzen Umgebung. Somit hatte das chinesische Sprichwort recht. Die Stadt hat einen ganz eigenen Charme.

In einem sich dem Tempel anschließenden kleineren Gebäude residierte ein lächelnder, überdimensionierter, goldener Buddha inmitten von Räucherstäbchen und Glockenspielen. Die Ruhe, Beschaulichkeit und die Aura des Buddha nahmen den Besucher gefangen und hielten zu einer inneren Einkehr an.

Der Abstieg führte wieder hinein in das bunte Treiben auf der Hefangstreet und zurück zum Parkplatz, wo Harry mit dem Busfahrer schon wartete, um uns zurück nach Shanghai zu bringen, wo wir den Nachtzug nach Xi'an besteigen sollten, um unsere neue Partnerschule kennen zu lernen und die Schülerinnen und Schüler ihren Gastfamilien zuzuführen.


Die Reise nach Xi'an in der Provinz Shaanxi

Wir bestiegen den Nachtliner nach Xi'an, das ca. 1600 km von Shanghai entfernt liegt. Im Zug selbst befanden sich Vierbettkabinen (je zwei übereinander) und alles war recht eng, aber gemütlich. Es gab Bettwäsche und Vorhänge, nur die sanitären Anlagen lassen zu wünschen übrig. Aber es geht. Jedenfalls für eine Nacht. Am Bahnhof selbst kauften wir noch tonnenweise Verpflegung für die lange Nacht ein, um gegebenenfalls der Schlaflosigkeit entgegenzuwirken. Aber nach etwa elf Stunden Fahrt durch das Land kamen wir recht gut ausgeschlafen in unserer neuen Partnerstadt an. Eine Delegation der Schule stand bereit, als wir den Zug verließen, und ein Bus brachte uns in die Schule No.89, die sich schon zum Empfang gerüstet hatte. Ein riesiges Transparent bzw. Spruchband in Rot begrüßte die Gäste aus Schifferstadt, uns wurden Blumen und kleine Präsente in den Arm gelegt und unter dem Jubel der Schülerinnen und Schüler dieser Best School (so heißt dort in China das Gymnasium) wohnten wir einer Showdarbietung auf dem Schulhof bei, in der sich in prächtigen historischen Gewändern kostümierte Schülerinnen und Schüler ansprechend präsentierten. Wir wurden dann in den Besprechungsraum geführt, wo sich die Schulleitung, Teile des Kollegiums, die Gastfamilien und geladene Schülerinnen und Schüler eingefunden hatten, um uns willkommen zu heißen. Die Tische waren herrlich dekoriert, Obstschalen, Blumen, Tee und andere Getränke waren vorbereitet. Einen solchen Aufwand hätten wir uns nie und nimmer vorzustellen gewagt und wir alle waren tief bewegt. Dias aus Schifferstadt mit den Stationen des Deutschlandbesuchs der chinesischen Delegation wurden mit stimmungsvoller Musik untermalt an die Wand projiziert und riefen schöne Erinnerungen wach.

Herr Liu, der Schulleiter, begrüßte uns mit einer freundlichen Ansprache und ich antwortete ihm mithilfe der jungen Dolmetscherin, einer Deutschlehrerin der Schule, die uns während der Woche begleiten sollte. Zusammen mit ihrer ebenfalls gut deutsch sprechenden Kollegin und dem Vizeschulleiter nahmen sie sich unserer Gruppe an. Dann wurden unter Blitzlichtgewitter die Jugendlichen unserer Gruppe ihren Familien zugeteilt und Blumen überreicht. Celine Wiesner, eine unserer Schülerinnen, bemerkte im Nachhinein, „dass die Schüler sehr an den Deutschen interessiert gewesen seien. Keiner hatte Angst, uns Löcher in den Bauch zu fragen. Wir fühlten uns wie kleine Berühmtheiten. Egal wo wir waren, die Handykameras waren unsere ständigen Begleiter – sogar in den Klassen und das trotz der vielen für uns außergewöhnlichen Regelungen."

Die Herzlichkeit der Aufnahme und die vielen liebenswürdigen Gesten überwältigten uns alle. Wir Lehrer wurden zum Essen mit der engeren Schulleitung und den Vertretern des Oberschulamtes geführt, wo wir nun richtiges, hervorragendes chinesisches Essen kennenlernen durften. Zartes Gemüse, kleine, fein marinierte Fleischhäppchen, Fisch, Nudeln (wenig Reis: denn dieser ist ,,Armeleuteessen"), Suppen, Pilze, gefüllte Maultäschchen in allen Varianten (Gemüse, Fisch, Huhn, Rind, Schwein, Lamm), feine Tees und herrliche Soßen wurden vor uns ausgebreitet. Da wir kein Besteck, sondern nur Stäbchen gereicht bekamen, mussten wir wohl oder übel die feinen Speisen mit etwas Anstrengung auf unseren Teller befördern, doch bald erinnerten wir uns durch unsere vergangenen Reisen in das Land an diese Fertigkeit und verbesserten uns zusehends. Lächelnde Kellnerinnen, die nur um unser leibliches Wohl besorgt waren, brachten immer neue Speisen in unser separates Zimmer im oberen Stock des Restaurants, denn wenn Chinesen essen gehen lassen sie sich nicht lumpen. Sie dinieren dann in einem Chambre Separee', weil die Wohnung zuhause zu klein für eine größere Gesellschaft ist. Dieser Raum besitzt neben dem großen runden Tisch mit einer eingebauten Lazy Susan auch einen riesigen Flachbildschirm (der Fernseher läuft immer) und manchmal auch eine eigene Toilette.

In manchen Restaurants wird zunächst ein heißes Tuch für die Hände gereicht, auch Schürzen und Tücher zum Bedecken der Garderobe am Stuhl, um diese nicht zu beschmutzen, sind Standard. Im Eingangsbereich der Gaststätten finden sich immer wieder riesige Aquarien, in welchen sich die frischen, für den augenblicklichen Verzehr gedachten Fischspezialitäten (lebendig) befinden. Auch Hummer mit zusammengebundenen Scheren fristen ein freudloses Dasein, denn sie werden bald in irgendeinem siedenden Topf enden, um die berühmte rote Farbe zu bekommen und ihre Scheren mit Nussknackern ähnlichen Instrumenten zerstören zu lassen.

So nahmen wir unseren Lunch ein, tranken auf das Wohl unserer beiden Völker und machten erste Pläne für die Woche. Die chinesischen Gastgeber hatten sich einige besondere Sehenswürdigkeiten ausgesucht, die sie uns unbedingt zeigen wollten. Neben der Schule und den Besonderheiten des chinesischen Systems sollten wir die berühmte Terrakotta Armee besuchen, Völkerkundemuseen anschauen und eine Landpartie machen. Ebenso stand in Xi'an ein Besuch der historischen (aber wieder neu erbauten) Stadtmauer auf dem Programm, auf deren breiten Plateau man 14 km rund um die Stadt mit einem Mietfahrrad fahren konnte. Xi'an war vor rund 5000 Jahren das Zentrum des Reichs der Mitte, denn es war das Zentrum an der berühmten Seidenstraße, die über Kleinasien nach Europa führte. Die Stadt erblühte mit dem wachsenden Wohlstand und war Sitz des Kaisers Qin Shi Huang, der als erster das Land einen und die Provinzen unterwerfen sollte. Sein Grabmal ist inmitten der von ihm in Auftrag gegebenen Terrakotta Armee, die im Totenreich seine Bewachung

übernehmen sollte. Dort flossen Quecksilberflüsse und es wurden künstliche Himmel aus Diamanten entworfen, die das weltliche Reich in allen Details für das Jenseits abbilden sollten. Die Terrakottakrieger waren alle individuell bemalt und zeigten die Vielfalt der menschlichen Physiognomien auf. Zufällig entdeckte ein Landarbeiter in den 70iger Jahren des letzten Jahrhunderts eine solche Figur und vermutete zunächst einen Leichnam. Man grub und entdeckte zahllose Relikte aus der Zeit des ersten Kaisers – die riesigen Museumsgebäude wurden über den archäologischen Fundstätten gebaut uns sind noch heute lebendige Ausgrabungsstätten. Ein goldener Hut war übrigens noch nicht dabei, wennschon Goldschätze , Jade, Grabbeigaben und viele, viele Tonfiguren mit Pferden und Wagen einen anschaulichen Beweis einer zivilisierten, reichen und martialischen Zeit liefern. Das eigentliche zentrale Grab des Kaisers, ein Erdhügel, ist noch nicht geöffnet und wird es wohl auch nie, denn die Gefahr des Einsturzes ist vorprogrammiert und der Ertrag ist somit von vorne hinein in Frage zu stellen. Die Zeugnisse jedoch, die in Vitrinen und in den Ausgrabungsstätten von Nahem zu bestaunen sind , zeugen von der Größe und dem Größenwahn des Herrschers, der für die Gegenwart der Region einen riesigen Touristenboom beschert hat und so über den Tod hinaus an die Gründung des Reichs in imposanter und höchst lebendiger Anschaulichkeit erinnert. Die Museen von Xi'an unterfüttern den Gründungsmythos und die ganze kaiserliche Herrlichkeit mit zahlreichen Funden aus der Region, sodass die Geschichte den Reisenden stets begleitet und ihm die bewegte Vergangenheit dieser Metropole stets vor Augen hält. Aber auch der muslimische Kulturkreis hat sich in Xi'an Denkmäler gesetzt. Die islamische Straße versetzt den Besucher in eine andere Welt, denn überall sitzen Frauen mit Kopftüchern und nichtasiatischen Gesichtszügen, die Marktwaren und Lebensmittel verkaufen. Die Fleischspieße und die leckere Lammfleischsuppe, die es hier für wenig Geld zu kaufen gibt, duften herrlich, die Süßwaren, klebrig und bunt, zeugen von unermesslichen Kalorien. Es gibt Trödel und Tand, aber auch außergewöhnliche Bekleidung und kleine Kostbarkeiten aus Jade, Metall und Gold sowie die üblichen Markenimitate als Taschen und Trendbekleidung. Inmitten des bunten Treibens tut sich ein Ort der Ruhe auf: eine Moschee inmitten einer wunderschönen, uralten und schon fast dekadent anmutenden Umgebung mit kleinen Tempelchen aus der Zeit vor der Islamisierung und Innenhöfen, magischen Farben und verwunschenen Ecken. Gegen einen kleinen Eintritt kommt man in diese wunderbare Oase hinein und wandelt auf den Spuren einer anderen Kultur mitten in China. Nachdem der Betrachter sich vom Trubel der Straße rund um den alten Glockenturm, deren es zwei im Zentrum von Xi'an gibt, erholt hat, geht es wieder weiter in Richtung Stadtzentrum, das das 21. Jahrhundert erreicht hat. Hier gibt es moderne „Allerweltsläden" in Form von Boutiquen und feinen Restaurants, McDonald's und Starbuck's Cafes. Das Zentrum wird austauschbar – diese Innenstädte mit modernen Einkaufsstraßen findet man überall in den Städten, die wir bereist haben, wieder. Aber die Besonderheit, nämlich das alte, ursprüngliche China, liegt (Gott sei Dank) nicht weit davon entfernt. Das sollten wir im Verlauf der Woche noch kennen lernen.

In der Schule verbrachten wir sowie die Schülerinnen und Schüler mit ihren Gastgebern viel Zeit, denn sie wie auch wir nahmen am Unterricht. soweit es ging und sinnvoll war, teil. Unsere Austauschgruppe sollte einen vertieften Einblick gewinnen in die unterschiedlichen Abläufe des chinesischen Lebens und Alltags, über das Schulsystem und über die Kultur Asiens generell. So lag es denn nah, den Sportunterricht mit Ballspielen, Tai Chi und Schattenboxen , den Musikunterricht mit traditioneller chinesischer , aber auch mit moderner Musik und die bildende Kunst mit der wunderschönen Kalligraphie, die unsere Schüler erst einmal (in Ansätzen) erlernen mussten, zu besuchen. Der Englischunterricht sowie die Naturwissenschaften boten sich ebenfalls zum Studieren an. Und so hospitierten wir in kleinen Klassenzimmern, die bis zu 60 Schülerinnen und Schülern beherbergten, welche vor Unmengen aufgestockter Bücher hockten und ab und zu ein Nickerchen machten. Die sehr beengten Klassenzimmer waren aber auf der anderen Seite alle mit modernster Technik wie Beamern und Laptops ausgestattet, die von den Lehrkräften eifrig genutzt wurden. „Auf dem Schulhof", so Celine, „fiel unseren Schülerinnen und Schülern ein Schaukasten auf, in dem die besten Schüler mit Bild gezeigt wurden. In einem Gespräch fragten wir einige chinesische Schüler nach ihrer Meinung zu diesem Schaukasten. Diese waren jedoch nicht in der Lage, uns darauf eine Antwort zu geben. Generell wurde nie öffentlich die Schule oder der Staat und dessen Handeln angezweifelt. Genau diese Meinungsfreiheit, die für uns in Deutschland als sehr wichtig empfunden wird, wird dort mit allen Mitteln verhindert. Dass Schüler traurigerweise in vorangeschrittenem Alter nicht in der Lage sind, sich eine eigene Meinung zu bilden und diese selbstbewusst zu vertreten, wurde uns an einem weiteren Beispiel mehr als bewusst. Informationen über den chinesischen Nobelpreisträger Liu Xiaobo wurden komplett zurückgehalten, Internetseiten wurden gesperrt und keine Medien durften darüber berichten."

Im Unterricht wird kein Wert auf eine Selbsttätigkeit gelegt, was wiederum die Beobachtungen unserer Schülergruppe bestätigte: es wurde im Dreischritt Vorsagen, Nachsprechen, Abhören unterrichtet und eine methodische Individualisierung des Unterrichts nicht ins Auge gefasst. Höflich erhebt sich der Schüler, wenn er eine Frage beantworten soll. Man darf niemand einfach aufrufen: der Schüler würde, wenn er die Antwort nicht wüsste, sein „Gesicht" verlieren. Gesicht wahren ist eine typisch asiatische Eigenheit: man sagt lieber ja, wenn man nein sagen möchte. Das führt zu allerlei rhetorischen Verbiegungen, welche auch westliche Manager nach nächtelangen zähen Verhandlungen und einem scheinbar nahe liegenden Erfolg manchmal wieder bei Null anfangen lässt, weil alles anders gemeint war. Interkulturelles und soziales Management sind also neben der fremdsprachlichen Kompetenz für die Verhandlungspartner unabdingbare Voraussetzungen für eine gelingende Kommunikation.

In den Zwischenpausen verlassen die Schüler den engen Klassensaal, um auf dem Hof (alle tragen als Schuluniform eine Art legeren Trainingsanzug) zu Musik, die aus überdimensionierten Lautsprechern dringt, gymnastische Übungen zu machen oder zu essen. In den Cafeterien (es sind mindestens drei) werden für die tausendfache Schülerschaft einfache, aber nahrhafte Speisen bereit gehalten. Meist kommen die Kinder und Jugendlichen sowie die Lehrerschaft mit einem eigenen Schüsselchen, um sich die Mahlzeit einfüllen zu lassen und dann mit den eigenen Stäbchen zu verzehen. Die Tische sehen nachher entsprechend aus, aber Trupps weiß gekleideter Frauen und Männer aus dem Service wischen alles wieder blitzsauber.

Auch wir nahmen unsere Mahlzeiten in der Cafeteria ein: einen Morgenkaffee gab es nicht, dafür Sojamilch oder grünen Tee, hartgekochte Eier und eine Art Porridge, aber ohne Geschmack. Nun, die kulinarischen Highlights kamen sowieso erst wieder am Abend, wenn wir mit den unterschiedlichsten Gruppen aus dem Oberschulamt oder der Schulleitungsebene in diversen einheimischen Restaurants die chinesischen Kostbarkeiten probieren durften. Abend für Abend bezauberten uns die schon erwähnten Maultäschchen in allen Variationen, Gemüse und immer wieder frischer Fisch, Huhn (mit allen Knochen und Kopf) sowie köstliche Suppen schmeichelten unseren Geschmacksnerven sowie der Figur, denn durch die geringen Mengen an Kohlehydraten setzen die Speisen weniger an als in unseren Gefilden. Die vielbeschworenen chinesischen „Spezialitäten" wie Hund oder Affenhirn blieben übrigens aus, einmal, weil sie in dieser Region traditionell gar nicht verspeist werden und die Hunde nicht die geliebten Haushunde, sondern speziell für den Verzehr gezüchtete Arten sind, und auch, weil man die Gäste erfreuen und nicht schockieren möchte. Gambei wird immer wieder eingefordert: „Mach das Glas leer." Und so sitzt man am runden Tisch und wird immer wieder zum Anstoßen auf Ex aufgefordert. Es gilt als besondere Ehre, mit den Gästen anzustoßen und ihnen so die Aufwartung zu machen. Dass es sich dabei um manchmal 70prozentigen Alkohol handelt, spielt dabei keine Rolle, Die Chinesen sind da hart im Nehmen und fordern dies von ihren Gästen ein. Jemand unter den Tisch zu trinken gilt als sportliche Aktion. Ich suchte mir eine nahestehende Pflanze, die ich heimlich mit dem Hochprozentigen begoss. Leider weiß ich nicht, was aus ihr geworden ist.

In der Schule beginnt die Woche mit dem Fahnenappell, der zum Anlass genommen wird, 5000 und mehr Menschen auf dem großen Sportplatz zu versammeln und nach dem Hissen der Fahne und dem Erklingen der Nationalhymne die Schüler und den Lehrkörper auf die Ziele der Woche einzuschwören. Sei es, fleißiger zu sein, um den Gao Kao zu bestehen (der Abschluss, der zum Zugang der Universität berechtigt, unserem Abitur gleichgestellt) oder bei einem Sportfest zu siegen: alle guten Vorsätze werden beklatscht und (hoffentlich) umgesetzt. Nachgeprüft und evaluiert haben wir das im Rahmen eines im Schulmanagement mittlerweile implementierten Benchmarking Prozesses nicht. ☺☺ Das Emoticon unterstreicht den Ernst des letzten Vorhabens.

Die Tage in der Schule No.89 erscheinen lang und anstrengend, denn erst nach Sonnenuntergang verlassen die Schüler die Schule, um sich zuhause auf die Hausaufgaben zu konzentrieren. Dieser Kreislauf vollzieht sich rund um die Uhr, Woche für Woche, auch am Samstag und am Sonntag, ohne nennenswerte Pausen im Jahr, außer beim Chinesischen Neujahrsfest im Februar (1 Woche) und im Sommer (8 Wochen). Ansonsten werden in den Ein-Kind-Familien alle Hoffnungen in den Sprössling gesetzt. Die Ausbildung, sprich die Schule, und der Gao Kao sind das Wichtigste im Leben und nehmen einen zentralen Stellenwert ein. Die Eltern tun alles, um ihrem Kind das Beste zu ermöglichen und sie bringen zum Teil große Opfer. Lange Trennungen werden in Kauf genommen, wenn etwa eine Familie aus der Mongolei ihren Sohn in Xi'an zur Schule schickt, weil dort z.B. die sportliche Begabung am besten gefördert wird. Alle Schulbücher werden zentral eingeführt und verwendet: so kann der Schüler aus Xi'an nahtlos in Hangzhou weiterlernen, falls er umziehen sollte. Tests jagen einander, eine Überprüfung folgt der nächsten. Die Schüler haben mit einem ungeheuren Erfolgsdruck zu kämpfen. In den Wochen vor dem zentralen Abschussexamen (Gao Kao) liegen die Nerven blank. Mit dem Erfolg der Schüler steigt das positive Ranking der betreffenden Schulen.

In solchen Zeitenbeweisen sich gute Freunde. Mädchen gehen genau wie Jungen Hand in Hand – so zeigt man freundschaftliche Verbundenheit. Liebespaare findet man nicht. Es ist verpönt, sich mit dem anderen Geschlecht etwa mit Küsschen oder Händchenhalten in der Öffentlichkeit zu zeigen. Dieses (normale) Verhalten wird dem Bereich des Privaten zugeordnet und würde öffentlich die Moral in Frage stellen. Hier kommt auch die Partei ins Spiel, die eine ,,Harmonische Gesellschaft" anstrebt, in welcher alle emotionalen Bewegungen im Gleichgewicht sein sollten.

Nach so viel Schule wurden wir von einer früheren Austauschlehrerin und ihrer Familie aufs Land eingeladen. Wir verbrachten den Tag bei strömenden Regen außerhalb von Xi'an in einer lieblichen Gegend, die nicht allzu sehr an China, sondern eher an die Weinstraße erinnerte. Ein Weingut hätte sehr wohl in diese Gegend gepasst, denn sie sanften Hügel und die Teeplantagen waren in unserer Vorstellung mit heimischen Bildern gut vereinbar. Wir nahmen ein bescheidenes, aber dennoch nahrhaftes und sehr gutes Mittagessen unter dem Zeltdach eines kleinen Ausfluglokals ein und besuchten dann das Elternhaus unserer Kollegin, die ihren Vater und die Stiefmutter auf unseren Besuch vorbereitet hatte.

In einem Raum, der auch als Garage genutzt wurde, nahmen wir auf winzigen roten Holzschemelchen Platz und genossen den sofort servierten grünen Tee. Dazu gab es Granatäpfel und immer wieder Mandarinen. Die Gastgeber waren herzlich, lachten gerne und wir setzten unsere Rundfahrt gestärkt und wohlgelaunt fort. Da der Ehemann unserer netten Fahrerin Chemiker von Beruf war und die Wasserreservoirs der Stadt betreute, führte uns das nächste Ziel zu einem Staudamm, der einen atemberaubenden Naturblick gewährte. Die Farben grün, grau, blau und gelb sowie ein in diesen Farben reflektierender Himmel waren berauschend und boten pure Schönheit. Wir waren überwältigt. Auf dem Nachhauseweg hielten wir an einer ehemalig aristokratisch-kaiserlichen Wohnanlage an, die zu einem Museumsdorf umgestaltet war. Da wir die einzigen Besucher an diesem verregneten Sonntag waren, konnten wir die Anmutung der Räumlichkeiten, die eine fast surreale Atmosphäre vermittelten, genießen und Puppenspielern bei einer Probe zusehen. Zurück in Xi'an besichtigten wir noch die berühmte Wildganspagode, deren Spitze über zahllose verwinkelte Treppchen und Zwischenetagen zu erreichen war und einen schönen Rundblick über die Stadt gewährte.

Nach diesen Einblicken in das ländliche China begaben wir uns müde und mit neuen Eindrücken erfüllt in unser Hotelbett und freuten uns auf den nächsten Tag, den wir mit dem stellvertretenden Schulleiter verbringen sollten, der uns ebenfalls eine etwas andere Sicht auf das Land, das wir ja bisher hauptsächlich nur durch seine Städte kannten, vermitteln wollte. Auf ging es zum Famen-Tempel, einer riesigen und damit auch überaus beeindruckenden buddhistischen Pilgerstätte vor den Toren der Stadt Xi'an, in welcher uns überdimensionierte Statuen willkommen hießen und eine Prachtstraße von mehreren Kilometern zum Allerheiligsten führte. Nach so vielen Räucherstäbchen und wallfahrenden (jungen!) Chinesen, die sich vor den Gottheiten verneigen und ihnen ihre Referenz erweisen, fuhren wir in ruhige gebirgige Landstriche, um uns mit einer Seilbahn auf einen Berg bringen zu lassen und ein wenig zu wandern. Abwärts ging es mit einem ziemlich maroden Schlitten- Bob Mix, der auf Gleisen zu Tal fuhr und den die Kollegen mutig nutzten. Ich zog Schusters Rappen vor. Unsere Schülerinnen und Schüler hatten ihre eigenen Erlebnisse und Erfahrungen in den Familien. Celine berichtete, dass „es dort ganz normal gewesen [sei], dass man, wenn man nach Hause kommt, seinen Schlafanzug anzieht. Zumindest die Gasteltern haben das gemacht. [Anmerkung: In China bedeutet das Tragen des Schlafanzugs am Tag ein sichtbares Zeichen der Freizeit und des Wohlstands, nicht arbeiten zu müssen. Deshalb bedeutet das Schenken von Schlafanzügen das Schenken von Zeit und Muße. Stb.] Das Essen war wirklich sehr gut. Entweder durften wir selbst gekochtes Essen genießen oder die Gastfamilie ist mit uns essen gegangen. Die meisten von uns haben die komplette Familie kennen gelernt. Die Kommunikation mit der Familie gestaltete sich nur ab und zu etwas schwierig, da die Eltern kein Englisch konnten, aber mit dem Austauschpartner als Übersetzer hat alles ziemlich gut geklappt. Die Wohnungen waren sehr unterschiedlich. Einige von uns waren wirklich in tollen Appartements untergebracht, andere mussten beim Anblick von manchen Bädern dann doch schlucken. Aber alles hielt sich im angemessenen Rahmen. Es war unglaublich interessant, wie das Familienleben in Xi'an ablief, Was auch wirklich toll war: dass wir so viel entweder in Kleingruppen mit unseren deutschen Freunden und deren Austauschpartnern oder eben mit der Familie machen konnten. Unsere Partner haben sich wirklich viel überlegt, was sie uns zeigen und was sie mit uns unternehmen können."

In der Schule wurde uns zu Ehren zum Abschied einer viel zu rasch vorübergehenden Woche eine deutsch-chinesische Abschlussfeier organisiert, in welcher unsere Schülerinnen und Schüler zusammen mit den Chinesen die unterhaltsamen kulturellen Unterschiede der beiden Länder zum Besten gaben. Tränenreich war dann auch der Abschied am darauf folgenden Morgen, was wiederum bewies, wie schnell man sich in eine für uns doch eher exotisch anmutende Kultur einleben kann und dass es überall auf der Welt liebenswerte Menschen gibt. ,,Im Allgemeinen hatten wir das Gefühl, dass sich unsere Austauschpartner riesig gefreut haben, uns endlich bei ihnen daheim aufzunehmen und uns zu zeigen, wie sie leben. Die Woche war eine Woche mit ganz verschiedenen, erschreckenden und wunderschönen Erfahrungen und Eindrücken. Auf jeden Fall hat sie uns die chinesische Lebensart ein klitzekleines Stückchen näher gebracht und war unglaublich spannend." (Celine)

Danke, Xi'an.


Peking, die Hauptstadt

Die letzte Etappe unserer Studienreise führte uns nach einem angenehmen Flug in die Stadt der Kaiser. Sofort wurden wir am Flughafen von unserem neuen Guide in Empfang genommen und zum Platz des Himmlischen Friedens Tiananmen gebracht, wo sich das Mao-Mausoleum und die Regierungszentrale der chinesischen KP befinden. Dort findet man auch den Eingang in die Verbotene Stadt, denn für normale Sterbliche war der Kaiserpalast nicht zugänglich. Wir bewegten uns mit zahllosen chinesischen und ausländischen Besucherströmen durch die verschiedenen Gebäude, die alle repräsentativen und administrativen Zwecken dienten. Riesige freie Plätze umgaben die tempelähnlichen Häuser, die dazu dienten, eventuelle Angriffe abzuwehren und Paraden abzuhalten. Hinter den offiziellen Gebäuden schlossen sich die Privatgemächer des Kaisers und seiner Konkubinen sowie der Kaiserin an. Dem Himmel am nächsten war dessen Sohn, der Kaiser, im Himmelstempel, den wir als nächstes besuchen konnten. Dort wurden die rituellen religiösen Feierlichkeiten abgehalten, die der Fruchtbarkeit des Landes und des Machterhalts dienten. Ein runder Stein, eingelassen vor dem Haupttempel, diente dem Sohn des Himmels, der diesen bestieg, als zentrale Nahtstelle zwischen Himmel und Erde. Nur er durfte dort stehen, der alle Macht in seinen Händen trug und die feindlichen Stämme unterwerfen konnte. Der erste Kaiser, der die Terrakotta Armee herstellen ließ, war der erste Sohn des Himmels. Die weiteren Kaiser folgten ihm und seinem Vorbild. Die Kaiserin und ihr Gefolge lebte im Sommerpalast, einem wundervollen, architektonisch und landschaftsgärtnerisch gekonnt und verspielt anmutenden Areal mit künstlichen Seen und Wandelhallen, Tempelchen und Ruheräumen. Staunend bewegten wir uns durch dieses herrliche Open-Air-Museum, fuhren auf einem kleinen Drachenboot über den See und bewunderten die Herrlichkeiten vom Wasser aus. Ein Marmorboot dient heute als Restaurant, in die kleineren Gebäude sind Andenken Läden und Cafes bzw. Teehäuschen eingezogen. Auch hier bewegten sich viele chinesische Touristengruppen durch die Anlage, die staunend und interessiert die Geschichte und die Kultur ihrer bewegten Vergangenheit vernahmen. Viele haben die Kulturrevolution von Mao miterlebt und mussten der Zerstörung der historischen Artefakte tatenlos zusehen. Umso freudiger nehmen sie heute die mit Akribie und handwerklichem Können restaurierten Schätze auf und lernen ihr Land auf dieser Ebene neu kennen.

Wir lernten jedoch auch das neue Peking kennen. Das Olympiagelände mit dem riesigen Stadion, dem sogenannten Vogelnest, beeindruckte uns immens. Heute werden dort nicht nur Sportveranstaltungen, sondern auch Konzerte oder Shows geboten. Im Innern, im wirklich riesigen Inneren, erinnern noch Puppen in den entsprechenden Uniformen an die Auftaktveranstaltung im Sommer des Jahres 2008. Die Maskottchen werben überlebensgroß für die längst vergangenen Spiele. Man kann sich hier einem gewissen Zauber nicht entziehen und muss sich dieser Gigantomanie hingeben. Die vollen Straßen unterscheiden sich in nichts von Shanghai. Unser Bus quälte sich durch endlos verstopfte vier- bis sechsspurige Straßen hinaus aufs Land, wo wir wie Chinesische Mauer erklimmen sollten, oder besser gesagt das für die Touristen sanierte Teilstück. Die Mauer soll mehr als 7000 km lang sein und vom Mond aus zu sehen sein. So die Legende. Ob das wirklich so ist sei dahingestellt. Fakt ist, dass das martialische Bauwerk die feindlichen Mongolenstämme abhalten sollte und einen riesigen Verteidigungswall gegen fremde Bedrohungen darstellte. Millionen von Menschen bauten über Jahrzehnte über Berge und Täler hinweg eine Treppe, flankiert von den Mauern, die es Menschen und Pferden ermöglichte, schnell von Stützpunkt zu Stützpunkt zu gelangen, um die Verpflegung zu sichern oder militärische Hilfe zu leisten. Die Bewohner dieser Stützpunkte lebten ein karges Leben, denn in der Wüste oder in der Wildnis der Gebirge gab es keinen richtigen Schutz gegen Kälte und oftmals gegen Hunger. Aber die Nibelungentreue zum Sohn des Himmels half ihnen über diese Missstände hinweg und gab ihnen Kraft, die Widrigkeiten zu überstehen. Wir erklommen die unterschiedlich hohen und krummen Stufen, diese in Stein gehauene menschliche Superleistung, und versuchten, die höchsten zugänglichen Stützpunkte zu erreichen, wobei die dünne Luft die Bergsteiger zum Schnaufen brachte. Dafür wurde man mit einem wahrhaft kaiserlichen Ausblick belohnt, denn die liebliche und zugleich schroffe Landschaft und die strahlende Sonne mit blauem Himmel gepaart verlieh der großen Mauer, wie sie die Chinesen nennen, einen majestätischen Reiz und ließ sie zu einer goldenen Schlange oder einem Drachen werden.

Auf dem Weg zurück in die Hauptstadt, die knapp zwei Stunden entfernt lag, besuchten wir noch die Minggräber. Die Mingdynastie ist den Chinesen allgegenwärtig, weil diese Kaiser das kulturelle Erbe auf besondere Weise geprägt haben, wie es durch Kalligrafie und unterschiedliche Stilrichtungen belegt ist. Anmutig und ruhig erstreckte sich die Tempelanlage über ein großes Areal, wobei einige Hügel Grablegen sind und bis dato ungeöffnet verbleiben, weil man sich archäologisch nicht ins Innere vorantraut.

Nach einem ausgiebigen Rundgang durch die herrlich bewachsene Anlage begaben wir uns wieder auf den Heimweg und sahen mit Freuden einem Essen der besonderen Art entgegen. Dieses Essen stellte wiederum einen kulturellen Höhepunkt dar, denn an unseren Tischen wurden Pekingenten, die aufwändig vorbereitet werden, um genossen zu werden, filetiert. Dazu werden Fladen und unterschiedliche Gemüse gereicht, die mit Sojasoße zusammen einen unwiderstehlichen Genuss bilden. So gesättigt und voller neuer Eindrücke bestiegen wir die Nachtmaschine nach Frankfurt, die uns wieder nach Hause bringen sollte. Wir landeten am 29. 10. 2010 wieder in Deutschland.

Unvergessliche Erlebnisse bleiben zurück. Das Reich der Mitte, Asien, erweckt Sehnsucht und schöne Erinnerungen. Aber vor allem haben wir gelernt, der oft dämonisierten Wirtschaftsmacht China hinter die Kulissen zu schauen. Wir waren die Botschafter unserer Kultur; aber wir haben erfahren, dass wir mit den Chinesen viele Gemeinsamkeiten haben, dass wir gerne lachen, leben, gut essen, schöne Dinge mögen und uns vor allem respektieren, ja mögen. Wir lernen voneinander, wir wollen mehr voneinander wissen. Und so haben wir einer globalisierten Welt ein Stück Individualität abgewinnen können, die uns trägt, sei es als Erinnerung, sei es für eine Zukunft, in der man sich wieder begegnet. Zai jian – auf Wiedersehen, China!

Gabrielle Steinbach


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